Life ist made of patterns (Insta-Post vom 05. November 2022 auf w_safer)
In den alten Zeiten, wo das Wünschen noch geholfen hat, …
Liam war, als er in die Schule kam, ein sehr kleiner zarter Junge. Er war äußerst schüchtern, und hatte wenig Selbstvertrauen. Wenn ihn seine LehrerInnen im Unterricht an die Tafel holten, lief er immer rot an, und er bekam kein Wort aus dem Mund, wenn sie ihm eine Frage stellten.
„Liam trau dich“ riefen seine MitschülerInnen dann im Chor, um ihn emotional zu unterstützen, doch dadurch wurde er nur noch mehr eingeschüchtert. Er verstand nicht, dass seine MitschülerInnen es gut mit ihm meinten und so kam es, dass sich seine Wahrnehmung mit der Zeit veränderte. Er wurde immer verschlossener und kapselte sich von seinem Umfeld ab. Er konnte schon bald nicht mehr zwischen Freund und „Feind“ unterscheiden. Irgendwann schwor er sich, es allen einmal heimzuzahlen.
Mit 9 Jahren trat er einem Kampfsportverein bei, und von nun an setzte er sich gegen alle seine “Widersacher” mit den Fäusten durch.
Im neuen Schuljahr kam ein Mädchen, das mit ihrer Familie aus einer anderen Stadt zugezogen war, in seine Klasse. Sie hieß mit Vornamen ebenfalls Liam, und war von Beginn an sehr interessiert an dem kleinen Jungen mit den großen Fäusten, der denselben Vornamen trug wie sie. Doch sie holte sich gleich beim ersten Kontakt mit ihm eine blutige Nase. Das hielt sie jedoch nicht davon ab, es weiter bei ihm zu versuchen. Sie hatte keine Angst, einen langen Atem und vor allem ein sehr großes Herz. Sie fühlte sich aus einem für sie nicht nachvollziehbaren Grund sehr zu ihm hingezogen. Liam war überrascht, dass dieses Mädchen sich nicht von ihm einschüchtern ließ, obwohl er sie genauso fest geschlagen hatte wie seine anderen MitschülerInnen. Einerseits störte es ihn, dass sie nicht locker ließ, andererseits hatte er vorher noch kein Mädchen kennengelernt, dass keine Angst (vor ihm) hatte. Dies übte eine große Faszination und Anziehung auf ihn aus.
15 Jahre später waren Liam&Liam ein Hochzeitspaar, und als sie vor dem Standesbeamten standen und ihm die alles entscheidende Frage gestellt wurde, lief er plötzlich rot an. Er spürte die warme Hand seiner geliebten Liam in seiner, und hörte die Zurufe der KlassenkameradInnen von damals: “Liam trau dich”. Er atmete langsam ein und wieder aus und antwortete laut und deutlich: “Ja! Ich will!”Liam&Liam bekamen drei wundervolle Kinder, und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.
Diese Geschichte hätte auch ganz anders enden können, wäre da nicht ein Mensch aufgetaucht, der sein Herz ganz weit geöffnet und Liebe geschenkt hat. Jemand der das verletzte Herz behutsam in seine Arme genommen, und Zuversicht und Vertrauen geschenkt hat. Wir alle kennen solche Liams, Männer wie Frauen, die nicht so viel Glück hatten wie jener Liam in meiner Geschichte. Auch kennen wir dieses Verhalten von uns selbst, wenn wir andere Menschen verletzen. Doch geht es meiner Erfahrung nach immer wieder darum, immer wieder aufs Neue sein Herz zu öffnen, zu verzeihen, und schlussendlich füreinander da zu sein. Mitfühlend zu sein, auch wenn oder gerade weil sich jemand einem gegenüber wie ein/eine „Liam“ verhalten hat.